Franz Fehringer Oft genug testete er meine Vomblattspielkünste und versuchte, mich mit schwierigen Stücken hereinzulegen, was ihm zum Glück nicht allzu oft gelang. Ich revanchierte mich manchmal, indem ich mir bekannte Lieder um eine kleine Terz höher transponierte und mich freute, wenn er in der Höhe Schwierigkeiten bekam. In so einem Fall schickte er mich einmal zur Strafe in den Garten zum Umstechen, rief mich aber schnell wieder zurück und kredenzte mir seinen feinen Bohnenkaffee, in den er beim Aufbrühen immer einen Löffel Lindes zur Abrundung des Geschmackes gab. Nahezu jeden Dienstagnachmittag verbrachte ich während des Semesters jeweils ein paar Stunden in seinem offenen Gesangsunterricht. Wer etwas einstudiert hatte, brachte es an, und ich als gewiefter Vomblattspieler war dann als Begleiter sehr gefragt. Als ein Freund von mir, ein guter Vomblattsänger, ein ellenlanges, uns bisher unbekanntes Schubertlied auflegte, fragte Fehringer, ob wir es auch genügend geübt hätten, was wir lebhaft bejahten. Und schon legten wir los. Fehringer blätterte um und zwar an einer Stelle zwei Seiten auf einmal, was wir nicht bemerkten und einfach weitersangen und -spielten. Nach dem Ende des Liedes blickte er uns spöttisch an und blätterte zur ausgelassenen Seite zurück. Er war eben ein ausgebuffter Schlaufuchs! Dass Franz Fehringer aus mir einen „schwarzen“ Bass machen wollte, war wohl eine Fehlentscheidung. Ihm schwebte so etwas wie ein tiefer Harald Stamm vor. An Schuberts Lied Grenzen der Menschheit, das ich bei einem Wettbewerb sowie neben Prometheus und Memnon beim Süddeutschen Rundfunk sang, erlebte ich die Grenzen meiner Begabung und beschloss, keine Gesangskarriere anzustreben. |
Rolf Hartmann Aber: bei Hartmann habe ich zu improvisieren und Schumann zu spielen gelernt. Dank seinem Unterricht bin ich ein passabler Klavierspieler geworden und keineswegs ein Pianist, auch wenn ich für meine Rundfunkaufnahme von Zoltán Kodálys Klavierstücken op. 11 sehr gelobt wurde. Schumanns Davidsbündlertänze op.6 erschloss er mir für mein Staatsexamen. Nur er bemerkte es, als ich beim Vorspielen vor gespitzten Ohren eine Gedächtnislücke improvisierend überbrücken musste. So etwas gefiel ihm. Er selbst hatte in Köln als Student Beethovens Klaviersonate op.27, Nr.2 im Konzert statt in cis-Moll in c-Moll vorgetragen. Die Fachleute waren ihm böse deshalb - eigentlich freilich, weil sie es außer seinem Lehrer Eduard Erdmann beim Zuhören nicht bemerkt hatten. |
Georg von Albrecht Er
war stolz darauf, mir sagen zu können, dass ich bei
ihm in
allen seinen Fächern im Staatsexamen eine Eins erreicht hatte.
Eine Besonderheit war, dass Albrecht mir seine Hymne an den Tod (op. 42, Nr. 6) mit einer hinzugefügten Melodie auf einen Puschkintext als Lied für meine Gesangsprüfung im Staatsexamen einrichtete (op. 12, Nr. 7). Das Klavierstück hatte er wohl gewählt, weil es mit meinen Initialen „G“ und „E“ beginnt, das „b“ aus meinem Nachnamen als Vorzeichen hat und in der Mittelstimme des Beginns auch noch das „a“ aus meinem Vornamen bringt. Als ich Georg von Albrecht in den Siebzigern in Sandhausen besuchte, hatte ich die Gelegenheit, seine Klaviersonate in gis-Moll kennen zu lernen. Ich spielte bei ihm Teile daraus zwar sehr bedächtig, aber einigermaßen erkennbar und zu seiner Verwunderung und zu seiner Freude vom Blatt, immer wieder unterbrochen von Diskussionen um die Machart des Gespielten. Besonders der langsame Satz - mit einer im Traum von seinem in den Revolutionswirren umgekommenen Bruder empfangenen Melodie - beschäftigte uns längere Zeit. Als ich von ihm schied, gab er mir die Noten, die handschriftliche Anmerkungen enthalten, mit. Bald darauf starb Georg von Albrecht. Für mich bleibt er unvergessen. |