Der
große Herr Li
Georg Christoph Lichtenberg -
klein von Gestalt und groß im Geist.
Der bekannten Karikatur von etwa 1795, mit der Lichtenberg seine bucklige Gestalt und die dünnen Beinchen festgehalten hat und die oft genug unbedacht als realistisches Portrait angesehen wird, habe ich mit zwei Strichen den Garaus gemacht und ihr ein von mir modifiziertes Bild gegenübergestellt, auf dem er gleichsam durch sich selbst hindurch auf uns blickt. Der leicht spöttische Mund mag in Lichtenbergs täglichem Umgang mit den Menschen um ihn herum nur Freundlichkeiten verteilt haben – in seinen Sudelbüchern freilich sprach sich Lichtenberg deutlich aus und nahm kein Blatt vor den Mund. Und er schonte auch sich selbst nicht. Lichtenbergs Sudelbücher – zunächst in einer begrenzten Auswahl und dann in der großartigen Lichtenberg-Gesamtausgabe mit ihren umfangreichen, erhellenden Anmerkungen herausgegeben – wurden zu häufigen Begleitern meiner geistigen Aus- und Höhenflüge. Seine Gedankensplitter haben meine Hirnschale durchdrungen und sich in meinem Denken festgesetzt. Wie freute ich mich immer, zu entdecken, dass er wie ich dachte, lange Zeit ohne zu ahnen, dass das daher kam, dass ich – von ihm infiziert – wie er zu denken gelernt hatte. Lichtenberg mit klugen Sprüchen zu übertrumpfen, kam mir nie in den Sinn, ich hätte das ja auch sicher nicht geschafft. Aber so ein bisschen scharfe Denke, etwas Sarkasmus und Selbstironie sind bei mir hängengeblieben. Es gibt viele Untersuchungen, Interpretationen und Essays, die sich Lichtenbergs Person und Denken annehmen. Da bedarf es keiner weiteren, überflüssigen Ausführungen meinerseits. Aber ein Gedicht, das ich einst über den Lästerer Walter Laufenberg geschrieben habe, passt bestens, um auch Lichtenberg – zumindest in einem Aspekt – zu erfassen: Aus Wörtern Schmiedet er Worte Stählern, elastisch und spitz Schneidet sie auf Die Wortblasen Des ewigen Dünkels Das vorgefertigte Denken Purzelt heraus Überschlägt sich Erledigt |